Eine Freude für Nase und Auge. Dafür hat der Liebling aus der Provence mal wieder eine schriftliche Huldigung verdient. Hat er mir doch in letzter Zeit einige gesellschaftliche Vergnügungen gerettet: Vorfreude auf ein festliches Ereignis an einem lauen, schwülen Juliabend, viele freudig erregte Menschen auf engem Raum, festliche Kleidung, parfümierte Dekolletées, gegelte Frisuren – alles könnte so schön sein. Doch leider steigert die feuchtwarme Atmosphäre nicht nur die Transpiration  sondern wirkt auch noch wie ein olfaktorisches Vergrößerungsglas. Für geruchsempfindliche Menschen kann ein Konzert, ein Theaterbesuch zur Tortur werden. Abhilfe schafft mir ein Minilavendelkissen in der Handtasche: Wenn die Luft zu dick wird, kann ich es in meine Hand nehmen, es etwas knubbeln und schon entströmt ihm ein beruhigender Hauch Urlaub fürs Riechorgan. Die Invasion unerwünschter Duftmoleküle wird etwas gemildert, die Luft um mich fühlt sich sauberer an und ich kann mich den schönen Seiten des Sommerabends wieder zuwenden. Natürlich geht das auch mit einem Tröpfchen Lavendel auf dem Taschentuch oder in der hohlen Hand. Aber das haptische Erlebnis vom Lavendelkissen ist entschieden schöner und schafft zusätzlich ein Polster der Geborgenheit. Mag sein, dass das auch in anderen Situationen ungute Gefühle, die neurdings größere Menschenansammlungen auf einige Leute haben, besänftigen kann.

Bei aller gebotener Nadelgehölzverdampfung zur Infektvorbeugung und zitrusfrischer möglichst 1,8cineoliger Vernunftbeduftung in Zeiten erhöhten Krankheitserregeraufkommens wird der Duftgenuss zur Kopfsache. Hey, nix gegen Cajeput, Ravensara, Weißtanne und Zitrone – was wär ich ohne sie! Aber es fehlt die Mitte:  Braucht doch die Seele gerade zur Stärkung des Immunsystems Düfte mit Herz und Körper. (Lassen wir das mit den Sesquiterpenen, da wisst Ihr ja alle bescheid, dass ohne die gar nichts läuft in Sachen Abwehr) Her mit den erdigen, schweren und den blumig zärtlichen, damit das Ganze Hand und Fuß bekommt! Keine Sorge, auch wenn der Blutdruck in der Rekonvaleszenz noch ein bisschen flau ist, wird Euch ein Tröpfchen Ylang Ylang nicht gleich niederstrecken. Neroli, alte ewig kindliche Spielkameradin, mal mir einen Schnörkel in die Erkältungsmischung und der Salbei verliert seine klinische Strenge. Der alte Medizinmann und Überlebensstratege hakt sich gerne beim Ingwer unter. Beide geben zusammen mit den genannten Blüten ihr Bestes, wärmen Körper und Seele und ganz nebenbei entrümplen sie die gegen Ende des Winters arg strapazierten Schleimhäute. Und für den Kuschelfaktor sorgt mal wieder die Narde. Selber schuld, wer immer noch kein Sesamöl im Haus hat, das ist für diese Kombination die einzig wahre Basis. Ja gut, bisschen Jojoba noch rein. Jetzt bitte, fragt mich nicht nach dem Rezept. Da muss schon eine gewisse kreative Eigenverantwortung her, sonst kann ich Euch auch nicht helfen. Der Weg zur individuellen Rezeptur ist ein Etappenziel! Nur soviel: Orange bringt dieser Mischung gerade soviel Schwung, dass der Kreislauf gut mitkommt.

Bunt tut gut. Selbst wenn man nicht akitv am närrischen Austreiben des, nunja, „Winters“ teilnimmt. Müdigkeit, Infektanfälligkeit und Antriebsschwäche erreichten vergangene Woche bei vielen Zeitgenossen den saisonüblichen Höhepunkt. Selten so viel Rosmarin und Grapefruit unter Nasen aller Altersgruppen und Geschlechter gehalten. Und wie schön, wenn man dann die Sonne in den dazugehörigen Gesichtern aufgehen sieht, tags darauf gar neue Farbtupfer in der Garderobe! Am tollsten aber war eine Begegnung mit dem Schatzkästlein einer lieben Kundin. Sie hatte originalverschlossene ätherische Kostbarkeiten vorbildlich kühl und dunkel gelagert und vergessen: Im Keller, seit Jahren. Die Frage war, was noch zu brauchen sei aus der ätherischen Hausapotheke. Teebaum, Kiefer, Lemongrass – die ganzen reaktionsfreudigen Frischlinge eben, hatten trotz Luftabschluss und Dunkelhaft den Weg ins Freie geschafft: Es war zum Teil bis zu einem Viertel verduftet und der Rest war fast zur Unkenntlichkeit oxidiert. Auch die Orange (MHD Juli2012) hatte einen deutlichen Stich und taugt höchstens noch als Ameisenschreck. Unglaublich gut roch aber noch die Zitrone, da habe ich für die Raumluftbeduftung grünes Licht gegeben – Körperkontakt würde ich mit so einer antiken Zitrusfrucht vorsichtshalber meiden, auch wenn sie noch so gut riecht. Bergamotte, Lavendel, Geranie – trotz MHD-Überschreitung von 18 Monaten überzeugen mit einem runden, überaus typischen aber viel tieferen, reifen Duft. Diesen kann ich bei frischen Chargen nur ahnen. Würde ich mich in einer 1%igen Verdünnung im Körperöl schon trauen. Erwartungsgemäß waren natürlich Rose (dest), Jasmin und Sandelholz, die ich aus Ehrfurcht eigentlich auf Knien hätte öffnen sollen, ein olfaktorischer Traum, der nur alle paar Jahre in Erfüllung geht. Den Oscar für die beste Nebenrolle im Duftantiquariat erhält der Muskatellersalbei: Wow, was für eine reife Leistung! Er hat in den Jahren im Verließ alle krautige Modrigkeit und den oft beklagten Muff in vollendete Balsamschwere, pudrige Gewürzeleganz und seelentröstende Süße verwandelt. Ein idealer Begleiter aus der winterlichen Trägheit hinaus ans Frühjahrslicht!

Welcher Duft passt zu diesem Bild:

a) Zitrone

b) Lavendel

c) Patchouli?

Welcher Duft würde beim Anblick dieses pittoresken Sammelsuriums am meisten überraschen? Es gibt kein objektives Richtig oder Falsch!


Die klare Vorstellung von einem Duft ohne ihn wirklich zu riechen ist eine große mentale Leistung. Melodien, Farben oder haptische Empfindungen können wir uns gut in Erinnerung rufen. Düfte mit der „inneren Nase“ wahrnehmen können nur die wenigsten. Ein gutes Training für diese neuropsychologische Disziplin sind bildgestützte Duftassoziationen. Dabei grenze ich einen Duft ein und zwar anhand anderer sinnlicher Wahrnehmungen aus meiner Erinnerung. Das ist quasi die Umkehr des sogenannten aromatherapeutischen Spickzettels, wo ich mit einem bestimmten Duft Erinnerungen an Lerninhalte wachrufe. Schön und gut, der leistungsorientierte Mensch will natürlich wissen, wozu um alles in der Welt er denn eine Leistung trainieren sollte, die er seinen Mitmenschen gar nicht beweisen kann? Die innere Nase bleibt dein Privatvergnügen, Lernfortschritte auf diesem Gebiet kannst Du nicht auf FB teilen, keine Wettbewerbe damit gewinnen, nicht mit Fotobearbeitung frisieren – es interessiert eigentlich keinen. Macht aber Spaß und ist eine sehr gute Turnübung für Deine grauen Zellen, die Dir das später mal danken werden. Deshalb hier noch ein paar anregende Fotos zur Übung:

Lemongrass? Weihrauch? Vanille?

Ylang Ylang? Zypresse? Ackerminze?

Viel Vergnügen beim inneren Riechen!

Tulpen trinken sich mit gierig gereckten Hälsen am Sonnenlicht satt. Erste Blütenkränzchen zieren blonde, braune, rote, schwarze Mädchenköpfe, die noch ganz luftungewohnt die warmen Kopfbedeckungen abgenommen haben. Wiesenschaumkraut, Braunelle, Gundelrebe, Vogelmiere, Löwenzahn – welcome back! Und ach die Baumblüte, es schneit Blütenblätter und die Vergänglichkeit zupft uns bei all der Vormainachtswonne zart am Ärmel. Schnell die Duftlampe ins Regal zurück, wir wollen draußen inhalieren, verlorene Düfte vom vergangenen Jahr wiederfinden oder besser noch aus der Kindheit, sonst geht uns hier der poetische Gaul durch oder Mörike! Nur eben schnell das Handgepäck auffüllen mit:
Rosenwassersprühfläschchen – bei Juckreiz jedweder Provenienz ein Sprühstoß ins Gesicht bei Bedarf auch in den Rachen und dem Frühlingsgenuss steht nichts mehr im Wege.
Lavendelöl – bei sofortiger Anwendung auf Insektenstichen gute Aussicht auf Unjuckbarkeit.
Tatütataaa – super mega geheime nur für Insider zu habende Ölmischung für kleine und größere Verletzungen, die zuvor noch mit Rosenwasser gereinigt werden können.
Ja das wärs schon, alles andere gibts draußen: Leben Lachen Grün und Vogelgezwitscher! Wir sehen uns auf der Wiese!

Advent 2009 – Mischung zur Raumluftbeduftung

2ml Pfeffer schwarz
1ml Benzoe
3ml Grapefruit extra
10 Tr. Gewürznelkenknospen
20 Tr. Douglasie
6 Tr. Love in a Mist (eine Sensation auch pur, Firma farfalla)
… das ist der Vorrat für den ganzen Advent, nicht die Portion für eine Anwendung!!!!

Es ist wieder soweit: Geruchsbelästigung zur Erzeugung saisonaler Kaufräusche macht feinen Nasen das Leben schwer. Akustischem Vorweihnachtsterror kann man immerhin noch einigermaßen entkommen, indem man (wie auch immer) die Ohren verschließt. Die Luft bis nach den Feiertagen anzuhalten, ist zur Riechnervenschonung allerdings nicht möglich. Rücksicht und Fingerspitzengefühl sind gefragt. Dazu nur drei einfach zu erfüllende Bitten: Lasst ab und zu Frischluft rein! Nehmt wenigstens Düfte aus der Natur! Nach einer halben Stunde spätestens eine Beduftungspause einlegen. Alternativen zum allgegenwärtigen Zimtsüßkleister in den Duftlampen der Nation gibt es hier demnächst. Vielleicht verraten ja auch einige treue LeserInnen ihre liebsten Adventsraumluftverbesserungsrezepte? Und hier noch ein bisschen Ringelnatz zum selbstkritischen Naserümpfen (bei zweitausendeins gibt es gerade eine günstige Ringelnatz-Ausgabe):

Ein Geruch und ein Gestank
Hatten einen Zank.
‚Ich lasse mich nicht,‘ rief der Gestank,
‚Von deiner Suesslichkeit überschminken!“
Mein Herr, sind Sie denn riechnervenkrank?
Merken Sie gar nicht, wie Sie stinken?“
Was kümmert’s dich, du bisamischer Schuft?
Bleib mir vom Leibe!“
Nein, solch ein Stunk gehört an die Luft!
Sie werden sehen, wie ich Sie vertreibe.
“Du Lüftchen, ich werde dich gleich verschlucken!
Dich scheint der Moschus am Nabel zu jucken.“
Genug, mein Herr, ich merke, Sie sind
Kein Gent. Ich spreche hier gegen den Wind.
‚Es schwebten gerade zwei
Ältere Damennasen vorbei.
Sie wussten ihren Unmut zu zügeln,
Rümpften und zitterten mit den Flügeln.

So lauten die Namen meiner derzeitigen sogenannten Topseller unter den ätherischen Mischungen (die ersten drei von Farfalla, Nummer vier von Neumond). Was kann uns diese kleine völlig unrepräsentative Marktforschung über die aktuellen Bedürfnisse erzählen? Ist doch klar wie küchenpsychologische Kloßbrühe: Wir suchen auf ätherischem Weg, jahreszeitlich und gesellschaftlich bedingte Defizite aufzufüllen. Dem Vernehmen nach gelingt das mit Düften zumindest ansatzweise – wir wissen ja, welche körpereigenen Dopingfeuerwerke von angenehmen Gerüchen ausgelöst werden können! Worüber wir allerdings keine Macht haben, sind die von mir immer wieder gerne thematisierten Rhythmen der Natur, die unserem modernen Leben so oft einen Strich durch die Rechnung machen. Immer und überall wird ständiges Wachstum gefordert und mit allen Mitteln angestrebt (übrigens auch die Vertreiber ätherischer Öle feilen ständig an ihren Marketingstrategien). Und was macht die Natur? Hemmungslos zyklisch genehmigt sie sich jedes Jahr eine herbstliche Regression, dass es einem die welken Blätter von nassen Nebelschwaden getränkt nur so um die Ohren klatscht. Von wegen ständiges Wachstum! Wurzeln einziehen, Umsatz drosseln und den Frost durchschlummern. Menschliche Betriebsamkeit muss dabei künstlich am Leben erhalten werden mit Heizung und Halogen (reimt sich wohl nur zufällig auf Halloween – ich hoffe, ich habe die l richtig verteilt). Das macht uns sensiblen überzivilisierten Möchtegernnaturburschen und -mädels verständlicherweise zu schaffen. Lasst uns gemeinsam den Frust verduften! Hier eine Liste meiner liebsten Lichtbringer:

Bergamotte

Grapefruit extra

Johanniskraut (destilliert, nicht mazeriert)

Mandarine komplett

Orange komplett

Zedrat-Zitrone

Kardamom

Angelika

Eukalyptus staigeriana

Neroli

Osmanthus

Dies ist kein Jasmin, auch wenn wir alle seit Kindertagen diese strahlenden Blüten mit ihrem unverwechselbaren Sommersüßduft dafür gehalten haben. Ich bekenne mich hiermit offiziell zur mutwilligen Falschbenennung wider besseren Wissens. Botanisch korrekt ist dies wohl philadelphus coronarius oder eine seiner zahlreichen Unterarten, Kreuzungen (über sechzig, wenn ich das richtig im Kopf habe) aus der Familie der Hortensiengewächse. Zu Deutsch: Pfeifenstrauch oder schon besser: Bauernjasmin. Für mich ist und bleibt es der Jasmin meiner Kindheit und aus dem schönen Gedicht von Hermann Hesse „Wir Kinder im Juli geboren lieben den Duft des weißen Jasmin…“Soweit ich das weiß, gibt es diesen Duft nicht im Fläschchen – es sei denn man empfindet die enfternte Ähnlichkeit mit jasminum grandiflorum als hinreichend. Zum echten Jasmin demnächst ausführlicher. Vorläufig erfreuen wir uns am einheimischen Beinaheduftdouble.

Flüchtig und nicht einfangbar: Lindenblütenduft gehört bei allen Mitteleuropäern bewusst oder häufiger wahrscheinlich unbewusst zu den wichtigsten Kindheitserinnerungen. Kaum ein Schulhof, Dorfplatz oder Schulweg, der sich nicht im Juni in diesen unaufdringlich allgegenwärtigen Sanftduft der Lindenblüten hüllt. Lindenblüten sind im kollektiven Duftgedächtnis der Sommerferieneiscaféfreibadsaisonvorfreudeduft. Genießen wir diese flüchtige Freude! Es gibt kein Destillat, das auch nur annähernd dieses Aroma einfängt. Hat jemand schon von einem akzeptablen Lindenblütenextrakt gehört? Mir ist keines bekannt. Einzig in Maienfels hat sich der gute Herr Lindenmann (der heißt tatsächlich so!) einigermaßen erfolgreich an einer Destillation versucht, es ist ein zierliches Blütenwasser mit einer hauchigen Ahnung von Linde herausgekommen. Allerdings, so hört man, ist die Schinderei dafür wohl in keinem Verhältnis zum Ergebnis und es wird daher keine Wiederholung geben. In meiner Praxis steht ein 50ml Flakon mit dieser Rarität, schnuppern erwünscht! Ansonsten hilft nur: Rechtzeitig tief einatmen und in Duftassoziationen aus der Kindheit schwelgen. Vielleicht sollten gerade wir Aromabegeisterte ab und zu zurück zur Quelle, den Pflanzen nämlich. Die Linde als klassischer Dorfbrunnenbaum gibt Anlass zu mehr als nur einer schwärmerischen Duftträumerei. Dieser weibliche Baum verströmt mit seiner ganzen Gestalt Geborgenheit und wohliges Heimatgefühl. Eine Meditation unter Linden stimmt sanft und gutmütig. Wollen wir uns mit den allerflüchtigsten Düften im Hier und Jetzt auseinandersetzen, den Pflanzen begegnen und saisonale Aromatherapie vor Ort betreiben! Und mit Hausmitteltipps zum Thema Lindenblütentee verschone ich uns hier vorerst alle. Ihr könnt ja mal sammeln, vielleicht bewegt mich ja in ein paar Monaten eine zarte Herbstmelancholie noch einmal zu den Lindenblüten zu posten…