Flüchtig und nicht einfangbar: Lindenblütenduft gehört bei allen Mitteleuropäern bewusst oder häufiger wahrscheinlich unbewusst zu den wichtigsten Kindheitserinnerungen. Kaum ein Schulhof, Dorfplatz oder Schulweg, der sich nicht im Juni in diesen unaufdringlich allgegenwärtigen Sanftduft der Lindenblüten hüllt. Lindenblüten sind im kollektiven Duftgedächtnis der Sommerferieneiscaféfreibadsaisonvorfreudeduft. Genießen wir diese flüchtige Freude! Es gibt kein Destillat, das auch nur annähernd dieses Aroma einfängt. Hat jemand schon von einem akzeptablen Lindenblütenextrakt gehört? Mir ist keines bekannt. Einzig in Maienfels hat sich der gute Herr Lindenmann (der heißt tatsächlich so!) einigermaßen erfolgreich an einer Destillation versucht, es ist ein zierliches Blütenwasser mit einer hauchigen Ahnung von Linde herausgekommen. Allerdings, so hört man, ist die Schinderei dafür wohl in keinem Verhältnis zum Ergebnis und es wird daher keine Wiederholung geben. In meiner Praxis steht ein 50ml Flakon mit dieser Rarität, schnuppern erwünscht! Ansonsten hilft nur: Rechtzeitig tief einatmen und in Duftassoziationen aus der Kindheit schwelgen. Vielleicht sollten gerade wir Aromabegeisterte ab und zu zurück zur Quelle, den Pflanzen nämlich. Die Linde als klassischer Dorfbrunnenbaum gibt Anlass zu mehr als nur einer schwärmerischen Duftträumerei. Dieser weibliche Baum verströmt mit seiner ganzen Gestalt Geborgenheit und wohliges Heimatgefühl. Eine Meditation unter Linden stimmt sanft und gutmütig. Wollen wir uns mit den allerflüchtigsten Düften im Hier und Jetzt auseinandersetzen, den Pflanzen begegnen und saisonale Aromatherapie vor Ort betreiben! Und mit Hausmitteltipps zum Thema Lindenblütentee verschone ich uns hier vorerst alle. Ihr könnt ja mal sammeln, vielleicht bewegt mich ja in ein paar Monaten eine zarte Herbstmelancholie noch einmal zu den Lindenblüten zu posten…

Gamma-Linolensäure, dreifach ungesättigt! Das Argument für das fette Öl aus den winzigen Samen der Nachtkerze. Neurodermtiker buchstabieren das im Schlaf. Aber auch alle anderen Hautprobleme lassen sich mit der äußerlichen und innerlichen Anwendung dieses teuren fetten Öls hervorragend beeinflussen. Über die genauen ernährungsphysiologischen Vorgänge in diesem Zusammenhang kann man sich in „Aromatherapie für Pflege- und Heilberufe“ von Eliane Zimmermann Überblick verschaffen (Siehe Literaturliste) Für die Hautpflege gibt man das Nachtkerzensamenöl ca. 10%ig ins Massageöl oder die Pflegelotion, müsste mit naturkosmetischen Produkten grundsätzlich kompatibel sein. Zur Nahrungsergänzung kann man es zum Salatöl geben, pur ein paar Tropfen vom Teelöffel schlecken (finde ich aber kratzig im Hals), aberauf keinen Fall erhitzen. In Kapseln kann man das wertvolle Öl auch schlucken, wenn man gerne Gelatinebatzen im Bauch hat, ansonsten kann man die Kapseln ja auch aufmachen: Die extreme Anfälligkeit fürs Ranzigwerden macht den Kauf in Kapseln sinnvoll – aber eben noch unsinnlicher und teurer.Schön und gut. Treuen LeserInnen wird mein bockiger Unterton nicht entgangen sein: Der Fall Nachtkerzensamenöl ist ein perfektes Beispiel für die Entfremdung von der Natur trotz Naturheilkunde und -kosmetik. Die Begegnung mit der Pflanze kommt zu kurz! Wer kennt die Wildform schon? Meist wird sie von ahnungslosen, ordnungsliebenden HobbygärtnerInnen aus Mauerritzen gerissen noch ehe sie zur Blüte kommt. Die Nachtkerze sucht sich die seltsamsten Plätze, ist genügsam und stört viele Leute. Aber nirgends ist das Wort UNkraut unangebrachter! Sie ist eine der ästhetischsten freiwilligen Gartenbewohnerinnen! Genügsam aber ohne falsche Bescheidenheit wächst sie zu stattlicher Größe heran. Man kann ihr beinahe zusehen. Das Öffnen einer Blüte begleitet laue Sommerabende im Freien, zur Belohnung für unsere Geduld verströmt sie kurz vor dem Zubettgehen einen zarten Duft. Das Gelb leuchtet wie aus einer inneren Lichtquelle in der Nacht weiter, man glaubt es beinahe hören zu können. Nach einem sonnendurchglühten Tag umhaucht diese Blüte wohltuende Kühle. Aus TCM-Sicht ist es eine Yin-Pflanze par excellence. Alle Frauen, die unter PMS leiden oder denen die Zeit des Wechsels Schwierigkeiten bereitet, sollten an Nachtkerzensamenöl als Nahrungsergänzung denken – und die Gesellschaft dieser bezaubernden Pflanze suchen! Warum nicht bei der Gartenarbeit nebenbei die winzigen Samen kauen? Und immer wieder diese schöne Überlebenskünstlerin bewundern. Meist repräsentiert sie alle Lebensphasen gleichzeitig: Knospen, Blüten, Verblühendes, Welkes und Samen. Sie lädt ein zur Meditation über Lebenszyklen, das Werden und Vergehen.

Kurzes Innehalten im Wonnemonat um der allgegenwärtigen Maiphorie ein bisschen gegenzusteuern – nicht um die Stimmung zu dämpfen sondern um tiefer einzutauchen…

Wie haben wir das Gelb der Maiwiesen herbeigesehnt und mähen es bereits wieder ab – wo nicht, da trägt es der Wind schon als weiße Schirmchen davon. Für lyrische Gemüter empfiehlt sich die Lektüre August von Platens Tristan. In der Freiburger online-Anthologie http://www.lyrik-und-lied.de/ finden sich dieser und viele andere schöne Texte. Ein Gedicht über Schönheit, Ästhetik und die Endlichkeit des Lebens. Demnach zeichnet sich Schönheit durch ihre Lebendigkeit und mithin ihrer Vergänglichkeit aus. Für die Nase empfiehlt sich ein Spaziergang mit geblähten Nüstern durch alle Tageszeiten. Mit Dufttagebuch unterm Arm, so lässt sich die Frühlingsluft wenigstens mit Tinte destillieren! Wann riecht der Flieder? Wann der Ginster besonders stark? Nach der Immortelle konnte ich letztes Jahr die Uhr stellen – leider hat sie, die Unsterbliche, diesen Winter nicht überlebt. Werde eine neue kaufen, aber nur, wenn der Gärtner sie nicht Currykraut nennt!

Wie versprochen ein kompletter Post für das Gänseblümchen, bellis perennis = die dauernd Schöne, Korbblütengewächse: Ähnlich wie Ringelblume und Kamille wird auch dem Gänseblümchen in der traditionellen Pflanzenheilkunde ein Bezug zur Haut nachgesagt. Innerliche sowie äußerlliche Anwendungen traditionell bei allen entzündlichen und/oder eitrigen Hautproblemen sowie Wunden. Verwendung finden die oberirdischen Pflanzenteile im frischen oder getrockneten Zustand. Und wer eine ganz feinstoffliche Beziehung mit bellis perennis pflegen möchte, sammle im Morgengrauen eine Handvoll Blütchen, lege sie mitsamt Morgentau in frisches Quellwasser, lasse dies alles von der Morgensonne durchstrahlen bis zum Mittag. Dann, wenn die Sonne am höchsten steht, wird alles abgeseiht und das Wasser abends nach der Reinigung und am folgenden Morgen aufs Gesicht gesprüht. Das Rezept habe ich vor Jahren in einer Kräutersendung im Radio aufgeschnappt, kann leider keine genaueren Quellenangaben dazu machen und habe es inziwschen bestimmt auch schon verfremdet. Ätherisches Öl enthält das Gänseblümchen nur wenig, dafür aber andere wirksame sekundäre Stoffwechselprodukte. Die Bitterstoffe machen es für die Küche interessant und es gehört zu den traditionellen Frühjahrsentschlackungskräutlein. Sicher wirkt dieses hübsche, allegegenwärtige Pflanzengeschöpfchen viel mehr auf einer subtileren Ebene, die nicht in Flavonoid- und Saponingehalt ausdrückbar ist. Wer verbindet nicht die liebsten Kindheitsfühlingserinnerungen mit dieser gegenwärtigsten aller Blumen? Bitte nicht den üblichen Gänseblümchenbescheidenheitsquatsch assoziieren! Was hat denn diese flächendeckende Ausbreitung mit Zurückhaltung und Bescheidenheit zu tun? Maßloses Maßliebchen: Liebenswerteste Verschwendung der Natur, das Leben in Fülle! Süße kleine Orakelblume, der selbst das Blättchenauszupfen mit Babyspeckfingerchen und ungeübter Motorik nichts anhaben kann – es sind genug Blümchen für alle Kinder da! Wer hat nicht schon früher und vielleicht auch heute noch immer wieder Kränzchen aus ihr geflochten? Wird daher nicht ihr Anblick uns Jahr für Jahr aufs Neue die Sorgenfalten aus dem Gesicht glätten? Und das verleiht uns kindliche Schönheit, zeitloses Glück und tiefste Naturverbundenheit. Macht die Augen und die Herzen auf, denn wahre Schönheit kommt von innen und gehorcht keiner Mode!

Welche Synonyme gibt es denn noch für das Gänseblümchen? Ich sammle sie alle! Bin gespannt auf Varianten aus Österreich, der Schweiz, dem Norden und wo Ihr tausend Schönen sonst so alles seid! Und was haben Eure Omas mit den Gänseblümchen gemacht?

Geißblatt o Lonicera, du duftende Heckenkirschenblüte! Schon wieder bin ich versucht mit Superlativen um mich zu werfen, weil Geißblattduft so absolut zum Frühling gehört wie Riemchenschuhe und das erste Eis der Saison. Leiderleiderleider ist der Duft von Lonicera nicht destillierbar und ich bin auf die Parfümeurskunst angewiesen. Mir selber gelang es noch nie auch nur näherungsweise den typischen leichten, nicht zu süßen, nicht zu blumigen, nur ahnungsweise wahrnehmbaren Duft voller fröhlicher Zurückhaltung mit ätherischen Ölen nachzuahmen. Beim Flieder tut man sich da schon leichter: bisschen Ylang Ylang, bisschen Bergamotte, miniminibisschen Tuberose und eine kleine Ahnung von Muskat schon blüht der Flieder in der Fantasie. Für das Geißblatt wären wir doch tatsächlich an die Rhythmen der Natur gebunden. Aber welche Gnade! Seit zwölf Jahren besitze ich dieses Kleinod von Chanel: „Cristalle“, das mich schon immer per Duftpost in die schönsten Frühlingsgefühle zu schicken vermochte. Aus Ehrfurcht vor der Natur und um das Besondere nicht abzunutzen trage ich es seit den letzten paar Lenzen nur noch saisonal zur Feier dieser Jahreszeit. Bitte Klopstocks „Frühlingsfeier“ beim Auflegen des Parfums rezitieren, das ergibt die perfekte Synästhesie!